Seidel Textilservice - Vorbildliche Qualifikation In der Textilreinigung 2018
Seidel Textilservice, Garbsen
Ausbilden mit Engagement und Herzblut
Auszubildende zu finden, gestaltet sich für Textilpflegebetriebe mitunter schwieriger als die berühmte Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Anja Seidel, Geschäftsleitung der Seidel Textilservice GmbH in Garbsen und ihre rechte Hand Sarah Weber haben schon vieles ausprobiert, um an Reinigernachwuchs zu kommen, von der Ausbildungsmesse bis zum Schulbesuch. Erfolg brachte schließlich ihr eigenes „Flüchtlingsprojekt“.
Ein Besprechungsraum wird zum Klassenzimmer: Im ersten Geschoss des Verwaltungsgebäudes der Seidel Unternehmensgruppe, zu der neben dem Seidel Textilservice auch ein Unternehmen für Wäschereitechnik und die Seidel Innendekoration GmbH gehören, wird jetzt auch unterrichtet. Seit mehr als zwei Jahren findet hier jeden Donnerstag ein Deutschkurs für vier junge Flüchtlinge statt, die 2016/2017 nach Deutschland kamen und derzeit eine Ausbildung als Textilreiniger bei Seidel machen. Studenten der Hochschule Hannover sorgen dafür, dass sie nicht nur deutsch, sondern auch die wichtigen Fachbegriffe der Textilreinigung lernen. „Wir haben den Studenten das Fachbuch `Fachwissen Professionelle Textilpflege´ in die Hand gegeben. Damit hatten sie selber erst mal was zum Lernen“, sagt Anja Seidel, die zusammen mit ihrer Mitarbeiterin Sarah Weber die Idee zu der Sprach- und Fachnachhilfe hatte, schmunzelnd. Stolz berichten sie, dass man sich mittlerweile mit allen Auszubildenden gut auf deutsch unterhalten könne.
Ihr besonderes „Flüchtlingsprojekt“ begann eher durch Zufall: „Wir hatten 2016 eine Ausbildungsstelle zum Textilreiniger ausgeschrieben“, so die beiden Frauen. Doch statt zahlreicher Bewerber wie erhofft, meldete sich ein ehrenamtlicher Flüchtlingsbetreuer aus der Nachbarstadt Seelze und fragte, ob sie auch einem jungen Flüchtlingsmädchen aus Albanien eine Ausbildung ermöglichen würden. „Wir haben uns lange Gedanken gemacht, ob man einem 15-jährigen Mädchen die Ausbildung ohne deutsche Sprachkenntnisse zumuten kann und waren eigentlich der Überzeugung, dass das nicht klappen kann. Aber dann haben wir Fatlume kennen gelernt. Eine erste Schreibprobe war gar nicht so schlecht und wir hatten das Gefühl, dass sie es wirklich will. Also haben wir gesagt 'Lass es uns probieren'.“
Keine deutschen Bewerber
Zwar hatte die Berufsschule gewarnt, dass mit den geringen Sprachkenntnissen eine Teilnahme am Unterricht kaum möglich sein würde und damit Recht behalten. Doch als im Zuge der Flüchtlingswelle immer mehr Schüler ohne Deutschkenntnisse in die Schule kamen, reagierte die Schulleitung flexibel, teilte die Klasse in Schüler mit deutschem Sprachhintergrund und solche ohne und änderte die Regeln so, dass Schüler die Prüfung auch bestehen können, wenn sie zwar nicht fehlerfrei schreiben können aber dafür praktisch gut sind.
„Fatlume hat in der praktischen Prüfung richtig gut abgeschlossen und was wir von ihr gelesen haben, war zwar voller Rechtschreibfehler, aber in der Sache richtig. Das macht uns sehr stolz und wir können heute sagen, alles richtig gemacht zu haben“, so Seidel und Weber. Mittlerweile haben mit Elma und Slavko aus Serbien und Emirjeta aus Albanien noch drei weitere Flüchtlinge eine Textilreinigerausbildung bei Seidel begonnen.
„Neben unseren Flüchtlingen würden wir gerne auch deutsche Azubis einstellen“, sagt Anja Seidel. Obwohl sie seit Jahren ausschreiben, haben sie in den vergangenen Jahren keine einzige Bewerbung von Deutschen bekommen. „Das Problem besteht ausschließlich bei der Textilreiniger-Ausbildung. Bei den kaufmännischen Berufen, die im Unternehmen auch angeboten werden, können wir uns die Bewerber aussuchen“, so Anja Seidel.
Beruf wieder attraktiver machen
Das Image des Berufs und auch der antiquierte Namen des „Textilreiniger“, der zudem das Falsche aussage, sind für Seidel der Grund für die Misere. „Ausbildung hat heute sehr viel mit Prestige zu tun“, sagt sie. Die Eltern seien in dieser Beziehung noch extremer als die Kinder und sagen: „Meine Tochter soll nicht Textilreinigerin werden.“ Folge sei, dass Textilpflegebetriebe immer mehr Anstrengungen unternehmen müssten, um Nachwuchskräfte zu finden. Anja Seidel und Sarah Weber haben in dieser Hinsicht selbst schon alles Mögliche unternommen, haben sich auf Berufsbildungsmessen präsentiert und bei Projekttagen in Schulen für ihren Beruf geworben. Zwar habe das nicht zum unmittelbaren Erfolg geführt, trotzdem sind sie der festen Überzeugung, mit ihrem Engagement dazu beitragen zu können, auf den Beruf aufmerksam zu machen und ihn wieder attraktiver zu machen.
„Oft habe ich das Gefühl, dass ich mich bei den Jugendlichen bewerbe statt andersrum“, sagt Anja Seidel mit scherzhaftem Unterton und ergänzt: „Man muss viel Aufklärungsarbeit leisten, in Bewerbungsgesprächen immer wieder die Aufstiegschancen betonen, dass man nicht als Textilreiniger hängen bleiben muss, sondern in vielen Bereichen von Technik bis Chemie Karriere machen kann. Diejenigen, die sich dann für eine Ausbildung entscheiden, sind auch wirklich engagiert und bestrebt, weiter zu kommen.“
Um den Beruf auch auf der Seite der Berufsberater bekannter zu machen, hat der Seidel Textilservice Anfang des Jahres in Kooperation mit dem DTV einen Workshop für Berufsberater veranstaltet und Berater aus der Region in den Betrieb eingeladen. „Manche kamen sogar aus den 50 Kilometer entfernten Städten Celle und Hildesheim und auch der Chef des Arbeitsamts Hannover war da“, berichtet Anja Seidel. Viele seien beeindruckt vom Betrieb und der abwechslungsreichen Arbeit gewesen mit dem Resultat, dass einige Berater schon bald darauf Bewerber zu ihnen geschickt hätten.
Trotz des Aufwands, den sie für die Nachwuchsrekrutierung betreiben muss – auf eigene Ausbildung zu verzichten, kommt für Anja Seidel, die selbst einst das Textilreinigerhandwerk von der Pike auf gelernt hat, nicht in Frage: „Bei uns wird von der Mangel bis zum Hemdenbügeln noch vieles in Handarbeit gemacht“, sagt sie. „Da brauchen wir gut ausgebildete und technisch versierte Mitarbeiter, die auf Qualität achten und das Große und Ganze im Blick haben. Sie sollen später auch als Führungskräfte im Unternehmen arbeiten können.“ Wenn etwa ein Pullover kraus aus der Maschine komme, brauche man Fachkräfte, die einschätzen können, woran das liegt und wie man das Problem lösen kann.
Fachmitarbeiterkurs als Benefit
Um neben der Ausbildung auch das fachliche Potenzial der bestehenden Belegschaft stärker zu nutzen, wird der Seidel Textilservice Ende Oktober deshalb als erstes Unternehmen den vom DTV konzipierten Fachmitarbeiterkurs anbieten. Der zweitägige Kurs ist als Einstiegsqualifikation und Wertschätzung für Mitarbeiter gedacht, die noch nie eine Ausbildung gemacht haben und die für eine Ausbildung zu alt sind. Er soll nicht nur grundlegendes Fachwissen vermitteln, sondern Mitarbeitern durch die Zusatzqualifikation auch dazu verhelfen, eventuell mehr Geld zu verdienen. Geleitet wird die Unterrichtseinheit vom DTV-Ausbildungsexperten Udo Nagelschmidt.
„Wir sind sozusagen der Testbetrieb und sehr neugierig, was für Fragen aufkommen werden“, sagt Anja Seidel, die als 1. Vorsitzende des Arbeitskreis Junioren auch im Präsidium des DTV hospitiert. Die Erfahrungen sollen dem Verband auch dabei helfen, den Bedarf der Mitgliedsbetriebe an interner Qualifikation zu ermitteln, um den Kurs anschließend bundesweit anzubieten. Außerdem bietet die Seidel Textilservice GmbH seit Kurzem einen zweiten Deutschkurs für langjährige Mitarbeiter an, die ihre Sprachkenntnisse verbessern wollen. Auch dieser werde sehr gut angenommen.
„Generell sind wir offen für alle Formen der betrieblichen Weiterbildung“, sagt Anja Seidel. „Allerdings müssen diese Hand und Fuß haben.“ Um die hohen Qualitätsansprüche auch bei der Aus- und Weiterbildung sicherzustellen, hat sich das Unternehmen deshalb vor zwei Jahren vom DTV nach der Qualitätsmanagementnorm 9001 zertifizieren lassen. „Das hat uns sehr nach vorne gebracht, auch weil es einen guten Überblickt über Prozesse und Abläufe der Schulungsmaßnahmen gibt“, sagt Anja Seidel und fügt hinzu: „Natürlich muss man zusehen, dass man nicht übertreibt mit den Aktivitäten, denn schließlich sind wir ein Wirtschaftsbetrieb. Aber dass wir in unseren drei Betrieben aktuell sechs Auszubildende und im nächsten Jahr wahrscheinlich acht haben, das finde ich einfach schön und das Beste daran ist, dass vier davon Textilreiniger sind.“
Vorbildliche Qualifikation In der Textilreinigung des Jahres 2018