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Gebr. Heinemann: Wir bieten permanente Versorgungssicherheit

WRP: Wie hat die Coronakrise die Textilnachfrage bei Krankenhäusern und Pflegeheimen verändert?

Bernd Scherrer: Zu Beginn der Krise ist die Nachfrage stark angestiegen. Die Ausstattung mit Schutzartikeln lag im Gesundheitsmarkt klar unter dem für die Pandemie notwendigen Niveau. Außerdem wurde die Anzahl der Betten für die Intensivmedizin erweitert, sodass die Lücke sich noch vergrößerte. Die vornehmlich in Asien produzierende Einwegindustrie war nur bedingt lieferfähig, folglich stieg die Nachfrage nach Artikeln mit Schutzfunktion dramatisch. Das bezog sich bei uns zuerst auf Besucherschutzkittel und Operationsmäntel, aber auch auf Bereichskleidung und Patientenhemden. Bei der Flachwäsche haben wir größere Mengen für die Ausstattung von Corona-Stationen in den Krankenhäusern geliefert.

Anfänglich gab es wie allgemein bekannt auch enorme Engpässe bei medizinischen Schutzmasken. Da sehen wir aber nicht unsere Kompetenz, sodass wir keine medizinischen Schutzmasken aber auch keine einfachen Mund-Nasen-Masken gefertigt und angeboten haben. Wir wollten auch nicht in den Geruch kommen, aus einer plötzlichen Notlage unserer Kunden unseriös Vorteile ziehen zu wollen. Das passierte anfänglich bei einigen Anbietern mit grenzwertigen Preisen von zum Beispiel 12 Euro für eine einfache, nicht-medizinische Mund-Nasen-Maske.

Wir haben allerdings über unseren Großhandel Zutaten angeboten und über unseren Objektbereich Meterware geliefert, damit zum Beispiel Nähstuben Masken für Mitarbeiter oder Konsumenten nähen können.

Wichtig für die bei uns spürbare Nachfrage ist aber auch, dass die Außendienstmitarbeiter ihre Kunden nicht besuchen und deshalb nicht mehr persönlich vor Ort beraten konnten. Unser Vertrieb wurde so gesehen behindert. Telefon, Email und Videogespräche haben eine andere Qualität in der Beratung. Das Einkaufsgeschehen war gerade bei Krankenhäusern und dem liefernden Textilservice krisenbedingt hektisch und kurzfristig angelegt. Die Nachfrage nach Sonderanfertigungen und Waren mit langer Beschaffungszeit ist bei Krankenhäusern und Textilservice derzeit rückläufig. Bei Pflegeheimen, die von der Beschaffungsseite anfänglich weniger im Krisenmodus waren, ist das nicht der Fall.

WRP: Was konnte beziehungsweise kann Gebrüder Heinemann tun, um den Krankenhäusern und Pflegeheimen in dieser Situation zu helfen?

Bernd Scherrer: Kurzfristig gesehen konnten wir auf ein umfangreiches und gut sortiertes Servicelager zurückgreifen. Wir bevorraten eine breite Palette von Standardartikeln und sehen die schnelle Lieferfähigkeit auch von kleinen Mengen als eine wichtige Stärke unseres Unternehmens. Damit konnten wir vielen Textilserviceanbietern, Krankenhäusern und Pflegeheimen helfen. Wir haben auch Stoffe gespendet, damit kleine Marktteilnehmer selbstgenähte Masken schnell und kostengünstig zur Verfügung stellen konnten.

WRP: Die Krise ist international und hat auch die textile Produktions- und Lieferkette in Mitleidenschaft gezogen. Haben sich daraus auch bei Heinemann Probleme ergeben?

Bernd Scherrer: Mittlerweile große Probleme. Inzwischen sind die Läger geleert, aber viele Produktionsländer sind im Lockdown-Modus. In Ländern mit weniger starken Einschränkungen haben Produktionsfirmen geschlossen, weil sich Angestellte und Arbeiter infizierten oder in der Gefahr sind, sich zu infizieren. Selbst wenn die Produktion klappt, gibt es erhebliche Probleme mit der internationalen Logistik. Viele Grenzübergänge sind noch geschlossen, die Dokumente und Prüfungen führen zu erheblichen Zeitverzögerungen. Die Aufrechterhaltung funktionierender Lieferketten erfordert derzeit großes Improvisationsvermögen und die ständige Suche nach neuen Lösungen. Das ist eine enorme Herausforderung. Bei allen Anstrengungen werden nicht nur wir in den nächsten Monaten Engpässe zu bewältigen haben.

WRP: Wie sehen Sie die Mission oder Vision von Heinemann grundsätzlich?

Bernd Scherrer: Lassen Sie mich das mal weder visionär noch missionarisch ausdrücken: Wir sehen unsere Aufgabe und Daseinsberechtigung darin, für den Gesundheitsmarkt geeignete Textilien bereit zu stellen. Diese müssen funktionell und langlebig sein. Sie sollen günstig sein im Sinne einer guten Leistung zu einem wettbewerbsfähigen Preis und aus dem Bestand sofort lieferbar sein. Wir bieten permanente Versorgungssicherheit für die wichtigen Produkte in den benötigten Mengen, wir stehen für Verlässlichkeit.

WRP: Gebrüder Heinemann ist ein Traditionsunternehmen im Gesundheitsmarkt. Was macht die Stärke des Unternehmens aus?

Bernd Scherrer: Unsere größten Stärken sind die Solidität unseres Handelns, unser leistungsfähiges Produkt- und Serviceangebot, sowie die genannte Versorgungssicherheit und schnelle Lieferfähigkeit. Wir sehen uns als verlässlichen, fairen und kompetenten Partner für Textilien im Gesundheitsbereich ohne Tamtam. Für uns zählt die langfristige Kundenbeziehung. Wir haben uns als Betterperformer einen guten Ruf erarbeitet, unser Name steht für geldwerte Produkte, guten Service, ein Miteinander und für gelebten und praktizierten Anstand. Wir leben die klassischen Werte des ehrlichen Kaufmanns. Für einen kurzfristigen Mehrertrag, der in der Coronakrise möglich gewesen wäre – Stichwort medizinische Schutzmasken – geben wir diese Werte nicht auf.

Ein wesentlicher Bestandteil unserer Angebotspolitik ist auf der Beschaffungsseite der kurze Draht zu unseren Produktionsbetrieben. Wir kaufen nichts bei Agenturen, wir sind bei unseren Kernartikeln kompletter Direktimporteur.

Die Bereichs-, Schutz- und Dienstbekleidung produzieren wir im passiven Lohnveredlungsverfahren. Lediglich bei selten nachgefragter Arbeitskleidung für Handwerker, Köche oder Hausmeister und bei farbiger modischer Tischwäsche handeln wir noch klassisch. Die Rolle als reiner Händler haben wir längst hinter uns gelassen. Dadurch haben wir einen sehr viel direkteren Einfluss auf die Beschaffung und die Produktion. Das wirkt sich in mehrfacher Hinsicht positiv für unsere Kunden aus, am wichtigsten bezüglich der Kosten, der Artikelkonstanz und beim Lieferservice.

WRP: Wie breit ist das Sortiment von Gebrüder Heinemann?

Bernd Scherrer: Wir sind Vollsortimenter, in unserer EDV sind weit über 4.000 verschiedene Artikel angelegt. Wir haben alle vom Gesundheitsmarkt nachgefragten Mehrwegtextilien im Angebot, unser Motto ist „alles aus einer Hand“. Wir haben es immer abgelehnt darüber zu sinnieren, ob wir uns zugunsten einer intensiveren Nischenpolitik spezialisieren.

WRP: Wie organisiert Heinemann die Textilversorgung der Kunden?

Bernd Scherrer: Herzstück unseres Services ist die Lagerhaltung. Bis vor 10 Jahren hatten wir ein Lager, mittlerweile sind es drei. Schnelldreher und Standards des täglichen Bedarfs lagern im Hauptgebäude. Unser Lager ist überdurchschnittlich hoch, weil unsere Kunden nicht 4 bis 5 Monate auf Standards des täglichen Bedarfs warten wollen beziehungsweise können. Dadurch sind wir in der Lage, kurzfristig auftretenden Bedarf auch bei Kleinmengen schnell befriedigen zu können und Versorgungsprobleme zu lösen oder zumindest reduzieren zu können. Darüber hinaus lagern wir für unsere Kunden auf Abruf bestellte Waren ein, die selbstverständlich erst nach Abruf bezahlt werden müssen. Hier allein beläuft sich der Wert auf weit über eine Million Euro.

Unsere Bekleidungsprodukte werden in Tunesien und Serbien unter unserer Regie produziert, die Meterwaren hierfür beschaffen wir national und international. Laken, Bettwäschebezüge, Inkontinenzunterlagen, Stecklaken, Zwirnfrottier, Esslätze, Geschirrtücher, Einziehdecken, Kissen, Tischwäsche und mittlerweile auch Bereichskleidung importieren wir direkt von ausgewählten Partnern aus Pakistan, Indien, Ägypten und China.

WRP: Wie schnell können Sie liefern?

Bernd Scherrer: Das ist unterschiedlich. Standards aus unserem Hauptlager können wir innerhalb eines Tages liefern. Normale Waren aus Außenlägern gehen nach maximal 3 Tagen ab. Inländisch konfektionierte Artikel brauchen 2 bis 3 Wochen, Fernostimporte die üblichen 4 bis 5 Monate.

WRP: Welche Rolle spielen Mindestabnahmemengen bei Gebr. Heinemann?

Bernd Scherrer: Wir arbeiten nur mit Mindestabnahmemengen wo dies unbedingt erforderlich ist. Das gilt zum Beispiel für Artikel mit Einwebung und Sonderproduktionen oder dort wo Kleinstmengen unwirtschaftlich oder unmöglich sind. Bei den Artikeln mit Mindestabnahmemengen sind Verpackungseinheiten die üblichen Bestelleinheiten.

Bei Pflegeheimen sind Verpackungseinheiten häufig nur mit Zuschlägen wirtschaftlich sinnvoll. Nehmen wir das Beispiel Waschhandschuhe, hier haben wir 500 Stück a 10 Stück, gebündelt in einem Karton. Wer es nicht einmal schafft, in 10er Einheiten zu bestellen, der muss eben deutlich mehr zahlen als derjenige, der einen ganzen Karton ordert – schließlich muss der Kommissionierer für das zeitintensive Handling bezahlt werden. Beim Textilservice sind Verpackungseinheiten nicht relevant. Die Größenordnung ist eine ganz andere, eine Aufrundung auf Paletten ist üblich.

WRP: Wie unterscheiden sich die Teilmärkte Krankenhäuser und Pflegeheime für Sie?

Bernd Scherrer: Der Teilmarkt Krankenhaus als direkter Absatzmarkt ist faktisch für uns kaum noch existent. Ein kleiner Rest Universitätskliniken mit eigener Wäscherei schreibt aus, aber die meisten Universitätskliniken sind im Leasing und werden über den Textilservice versorgt. Die Krankenhäuser insgesamt arbeiten weit überwiegend im Leasingmodell. Manche lassen ihre Textilien auch im Lohn waschen. Dann kaufen sie aber meistens über die Lohnwäscherei ein, die dann wieder auf ihre Lieferanten zugreift.

Der klassische Textilservice heutiger Prägung sieht als zentrale Aufgabe die Wäscherei und Logistik, um den Kunden mit sauberer Wäsche zu versorgen. Die Textilien werden entweder vermietet oder an die Kunden verkauft.

Der auf den Gesundheitsmarkt spezialisierte Textilservice, Altenheime, Pflegeheime, Krankenhäuser und Rehakliniken – sie sind alle Teil des Gesundheitssektors, auf den wir uns spezialisiert haben. Deshalb ist es aus unserer Sicht eine Artikelpalette für alle. Der einzige wichtige Unterschied ist, dass der Textilservice viel höhere Mengen abnimmt als die Pflegeheime. Die Tauglichkeit für Industriewäsche ist selbstverständlich, wir haben nur sehr wenige Artikel im Portfolio die eine eingeschränkte Tauglichkeit besitzen – dann mit explizitem Hinweis.

WRP: Gibt es gar keine Unterschiede in den Artikeln für die Pflege und für Krankenhäuser?

Bernd Scherrer: Wir erreichen die Krankenhäuser und große Teile des Pflegeheimmarktes vor allem über den Textilservice. Der Textilservice wäscht für Krankenhäuser und Pflegeheime, insofern ist die Palette an Textilien für Krankenhäuser und Pflegeheime weitgehend gleich. Es gibt nur Minimaldifferenzen, zum Beispiel präferiert der Textilservice bei Bettwäschebezügen einen verriegelten Sackverschluss. Pflegeheime arbeiten lieber mit dem Hotelverschluss. Wir halten beide Versionen vor, zusätzlich Meterware für Sondergrößen und exotische Wünsche.

WRP: Wie wichtig ist das Produktdesign?

Bernd Scherrer: Design ist nur und dann sehr wichtig, wenn es der Optimierung der Funktionalität, High Performance, Langlebigkeit oder der Wirtschaftlichkeit dient. Für die Wirtschaftlichkeit spielen seit einiger Zeit die Kosten pro Einsatz eine große Rolle. Nicht so wichtig ist Design im Sinne von hübsch oder schön. Bekleidung wird zwar zunehmend in hoher Farbvielfalt nachgefragt, das hat aber weniger optische Gründe. Vielmehr werden die Träger damit organisatorisch zum Beispiel einer Abteilung zugeordnet.

WRP: Wie hat sich das Verhältnis von Direktgeschäft mit Krankenhäusern und Pflegeheimen zum Geschäft mit Textilserviceanbietern entwickelt?

Bernd Scherrer: In den letzten 10 Jahren haben wir hier eine sehr starke Veränderung der Absatzwege erlebt. Im Jahr 2000 spielte der Textilservice für uns noch keine wesentliche Rolle: 70 Prozent unserer Kunden waren Krankenhäuser und 30 Prozent Pflegeheime. 2015 lag der Textilservice schon bei 50 Prozent, die Pflegeheime machten noch etwa 40 Prozent und die Krankenhäuser 10 Prozent aus. Dieser Trend hält an. Für 2025 erwarte ich, dass der Textilservice 85 Prozent des Marktes abdeckt, 15 Prozent von den Pflegeheimen direkt gekauft wird und die Krankenhäuser komplett über den Textilservice oder ihre Lohnwäscherei gehen.

WRP: Wie ist der Vertrieb von Heinemann aufgebaut?

Bernd Scherrer: Die Anforderungen für erfolgreiches Verkaufen an den Textilservice weichen stark von denen an die Pflegeheime ab. Für das Altersheim sind das Fühlen und Anschauen von Warenmustern und auch die Individualität wichtig. Der Textilmietservice ist primär von Verfügbarkeit, Preis und Warenperformance geprägt. Trotz dieser wichtigen Unterschiede bedienen unsere Außendienstmitarbeiter zur Zeit noch alle Absatzmärkte.

WRP: Die Preise standen in den letzten Jahren stark unter Druck, insbesondere im Textilservice. Wie sehen Sie das?

Bernd Scherrer: Das ist ein Problem, dass der Textilservice sich selbst eingebrockt hat. Der Wettbewerb funktioniert beim Textilservice vor allem über den Preis, Produktivitätsgewinne und gedrückte Einkaufspreise. Die Textilserviceunternehmen klagen selbst, dass sich immer ein Konkurrent findet, der zu noch schlechteren Preisen bereit ist zu liefern. Folglich verdient der Textilservice kaum noch mit Lohnwäsche und Leasing. Also muss der Textilservice auch im Einkauf Einsparungen erzielen. Das heißt der Druck wird zum guten Teil auf die textilen Lieferanten weitergewälzt. Im Gesundheitsmarkt muss man mit niedrigen Margen wirtschaften können. Ein weiteres Problemfeld ist die suboptimale Abrechnung per Kilo, hier werden unterschiedliche Qualitätsniveaus in eine Einheit gepresst, besser ist die Abrechnung im Stückpreis.

WRP: Wie sieht Heinemann die weitreichenden Vorgaben bei Ausschreibungen?

Bernd Scherrer: Das ist in meinen Augen globalisierungsbasierte Heuchelei, billigste Standardtextilien sind nach zig Kriterien zu durchleuchten, produktverteuernde Zertifikate sind in Massen zu beschaffen und neun Unterschriften pro Kettfaden zu leisten. Das Inkrafttreten des neuen, europäischen Medizinprodukterechts ist wie erwartet verschoben worden. Als Grund wurde zwar die Coronakrise genannt, der wahre Grund ist aber in der Hürdenhöhe der Anforderungen zu finden. Hier haben kriminell produzierte Brustimplantate überzogene Forderungen erzeugt. Die Anforderungen werden zur Konzentration von Anbietern führen, danach werden die Preise explodieren.

Angemessener und vernünftiger wäre stattdessen, bei Billigstandards das zu verlangen was dem Preisniveau entspricht, das heißt nur Basisinformationen. Ein Kilopreis von unter 4 Euro berechtigt zur Nennung einer Materialangabe, einer Größe und eines Gewichts – und das sollte es sein. Ökotex-Zertifikate sind in ihrer Wertigkeit gemindert, hier zahlt der Produzent im Entwicklungsland mit niedrigen Löhnen und fragwürdigen Umweltstandards viel Geld für seine dann weniger eingeschränkte Marktteilnahme. Wenn der Kunde bessere Textilien will, muss er klar abgegrenzt signalisieren, dass er dies möchte und das Niveau genauer vorgeben. Produktaufwertende Mehrkosten müssen bezahlt werden, das ist das Gesetz einer funktionierenden Marktwirtschaft. Ich erwarte schließlich auch nicht, dass ein T-Shirt zu 1,99 Euro mit ‚Handmade in Hamburg‘ gelabelt, geschweige denn tatsächlich dort manufakturartig hergestellt ist.

Die detaillierte Angabe von Gewebeeinstellungen, Reißfestigkeiten trocken/nass, vorgenommenen Ausrüstungen und ähnlichem verlangt vom Kunden nicht mehr existentes Fachwissen. Die Branche arbeitet mit einer 1981 veröffentlichten und zuletzt 1992 aktualisierten, ‚TB‘ genannten Bibel, herausgegeben vom Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands. Diese versucht sich an der aus heutiger Sicht nicht mehr passenden Festlegung von qualitativen Mindestanforderungen für Krankenhaustextilien – nicht zu realisierende Waschschrumpfwerte, nicht mehr existente Markenpolyester, nicht zu vergessen die legendären Prüfnormen nach DIN.

Bei deutschen Produzenten gekaufte Ware ist enger betrachtet kaum oder gar nicht in Deutschland produziert. So wie die Markenjeans nicht in Deutschland, Italien oder den USA, sondern in Bangladesch/Myanmar hergestellt wird, sind auch die Bettwäschegarnitur, die Baumwolle für die Meterware, die Farbstoffe nicht von A bis Z in Europa produziert. Das geschminkte, egalisierende Ursprungszeugnis kostet Geld.

WRP: Wie ist das Verhältnis von kundenbezogenem Projektgeschäft und Standardgeschäft?

Bernd Scherrer: Bei Pflegeheimen spielt das Projektgeschäft keine große Rolle. Einzelne Pflegeheime generieren so gut wie gar keine Projekte. Pflegeheim-Ketten stoßen ab und zu mal Projekte an, zum Beispiel wenn die Mitarbeiter mit einheitlicher Bekleidung im Sinne der Corporate Identity ausgestattet werden sollen.

Der Textilservice initiiert immer wieder Projekte im Neukundengeschäft. Das ist mit teils sehr speziellen Anforderungen verbunden. Beispielsweise verlangt der Leasingkunde in seiner Ausschreibung ein besonderes, vom marktüblichen Standard abweichendes Bettwäschedesign oder wünscht die Kasacks in einer nicht sofort verfügbaren Farbe mit einer doppelt unterteilten Brusttasche.

WRP: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei Gebrüder Heinemann?

Bernd Scherrer: Lassen Sie mich hier mal etwas provokativ sein. Wir haben keine Kunden, die für nachhaltige Produkte mehr Geld zahlen. Es erscheint uns widersinnig, nachhaltig erzeugte Textilien zum Preis von ordinär erzeugter Ware zu vertreiben. Unsere Kunden sind nur gewillt mehr zu zahlen, wenn sie für dieses Mehr an Geld einen echten Mehrnutzen bekommen, zum Beispiel Bekleidung aus Tencel oder Stretchgewebe. Nachhaltigkeit spielt deshalb für uns derzeit keine Rolle. Die Kunden wollen es nicht bezahlen.

WRP: Wo sehen Sie Gebrüder Heinemann als Lieferanten in den nächsten Jahren?

Bernd Scherrer: Im Vertrieb könnten sich wichtige Veränderungen ergeben, die zu einer neuen Rolle führen. In den 1970ern haben wir die Objektabteilung vom Großhandel getrennt, weil der Markt objektspezifischere Ware benötigte. Seit etwa 10 Jahren wird der Textilservice als Absatzmittler von Objekttextilien und seiner zusätzlichen wichtigen Wertschöpfung der Wiederaufbereitung ein immer wichtigerer Partner. Möglicherweise werden wir irgendwann die Betreuung des Textilservice von der der Pflegeheime trennen. Einen marktbekannten Skandinavier hat vor 20 Jahren jeder belächelt, weil er direkt an den Textilservice lieferte und den klassischen Großhandel ignorierte. Mittlerweile hat fast jeder eingesehen, dass er seiner Zeit voraus war. Vielleicht wird Heinemann die Pflegeheime auch indirekt über Händler versorgen, die auch Nichttextiles im Portfolio haben und dann zu 100 Prozent nur für den Textilservice da sein.

Um in diesem sich sehr schnell und stark verändernden Markt auch weiterhin erfolgreich agieren zu können, müssen wir uns permanent und intensiv mit der optimalen Ausrichtung unseres Unternehmens auseinandersetzen. Wie das ganz genau aussieht, das hängt in unserem spezialisierten Markt aber auch davon ab, welche personellen Möglichkeiten wir haben oder finden.

Das Kerngeschäft des Textilservice ist die Wiederaufbereitung von Textilien und die Logistik zum Kunden. Dafür vermietet der Textilservice seine Textilien oder hilft den Krankenhäusern und Pflegeheimen beim Einkauf von Textilien und arbeitet dann als Lohnwäscher inklusive des logistischen Hol- und Bringservices. Wäscherei und die optimierte Bereitstellung am Ort des Verbrauchs sind ein wirklich differenziertes Geschäft.

Heute muss der Textilservice für dieses differenzierte Geschäft auch eine eigene Einkaufskompetenz haben und zunehmend bevorraten. Das ist eine sehr starke Spreizung der Kompetenz und deshalb nicht verwunderlich, dass zum Beispiel bei neuen Projekten der Textilservice zunehmend mit qualifizierten Textillieferanten zusammen zu seinem Kunden, sagen wir einer Pflegeheimkette, geht, um das neue Projekt kompetent vorzustellen.

Der Textilservice braucht hier bei zunehmender Komplexität des Geschäfts Entlastung. Hier sehe ich eine präzisere Rolle für Textillieferanten, die den Textilservice beim Kauf und bei der Bevorratung unterstützen. Der Textilservice kann an dieser Stelle von qualifizierten Textillieferanten profitieren, die ihm diese Arbeit abnehmen damit er sich wieder mehr auf seine eigentliche Aufgabe konzentrieren kann.

Die Bildung von großen Abruflägern, das Agieren mit Forecasts, die Arbeit mit Rahmenabkommen, Einteilungsintervallen und korrespondierenden, detaillierten Bestell- und Lieferübersichten gehören zu einer modernen Beschaffung, aber auch die Bereitstellung von Know-how bei der Beantwortung von speziellen Fragen zu Artikeln in Ausschreibungen, die Musterstellung etc. Hier sehe ich eine gute Chance, die Kundenbindung zum Textilservice erheblich zu erhöhen. Partnerschaftliche vertrauensbasierte enge Zusammenarbeit ist dabei eminent wichtig, um die notwendige Produktentwicklung oder projektbezogene Optimierung und Funktionalität zu gewährleisten.

Der Textilservice braucht eine auf die einzelnen Unternehmen zugeschnittene individualisierte Versorgungssicherheit. Dafür gewährt er seinem Lieferanten langjährige, fair gelebte Partnerschaft und steht für eine restlose Abnahme ein.

Solch eine Partnerschaft muss fair sein, wenn sie dauerhaft sein soll. Reklamationen beispielsweise sollten beiderseits transparent und rational verhandelt werden. Eine fahrlässig mangelhafte Aufbereitung oder unsachgemäßer Gebrauch durch den Endverwender wie es zum Beispiel bei schwarzen Pilling auf weißen Laken naheliegt, darf nicht einfach vom Aufbereiter dem Lieferanten angelastet werden.

Es müsste gemeinsam ein Rahmen definiert werden, welche Produkte in welcher Machart in welcher Menge verfügbar zu sein haben. Das kann bis in die Dispositionseinheiten gehen, zum Beispiel welche Hosen in allen Größen und in ihren unterschiedlichen Längen vorrätig sein sollten. Es könnten Pufferläger für die Neukundengeschäfte vereinbart werden etc. Aufgabe des Textilservice wäre es aber auch, bei seinen Kunden Beschaffungsfristen für verlangte Exoten durchzusetzen. Ähnlich sollte gelten, dass die Bereitschaft, auch gechippte Wäsche, etikettierte Textilien oder mit einer Einwebung versehene Teile zu bevorraten auf der anderen Seite mit einer restlosen Abnahme dieser individualisierten Textilien einhergeht.

Solch eine Partnerschaft braucht einen verbindlichen Rahmen und Regeln. Jeder Partner muss wissen, woran er sich zu halten hat, und wie er seinem Partner maximale Stärkung für größtmöglichen Erfolg bieten kann.

WRP: Das ist doch eine klare Vision. Wäre das auch ein Wachstumspfad für Gebrüder Heinemann?

Bernd Scherrer: Es ist eine sehr sinnvolle strategische Option, die sich auftut. Gerade bei der mittelständischen Struktur des Textilservice in Deutschland würde sie für viele mittelgroße Anbieter eine sehr entlastende Arbeitsteilung bedeuten. Der Aufbau solcher Arbeitsteilung erfordert die Transparenz und Verlässlichkeit ehrlicher Kaufleute in einem sehr umkämpften Markt.

Ob wir damit wachsen? Das kann nur nach und nach aufgebaut werden. Jedes Textilserviceunternehmen ist dabei separat zu betrachten. Wir sind in den letzten 10 Jahren bescheiden gewachsen. Dabei war das Umfeld zeitweise von Regression geprägt. Wir können uns also in einem wettbewerbsintensiven Markt bewegen und entwickeln. Stabilität und Solidität ist dabei wichtiger als ehrgeizige Wachstumsziele.


Profil Gebr. Heinemann GmbH & Co. KG
Carl-Schurz-Str. 5
41460 Neuss

Telefon: +49/(0)2131-1808-0
Telefax: +49/(0)2131-129507
E-Mail: info@heinemann-neuss.de
Internet: www.heinemann-neuss.de

Geschäftsführende Gesellschafter:
Lambert Goder
Georg Goder

Gebrüder Heinemann wurde 1819 gegründet. Neben dem Großhandel für den Mode- und Textileinzelhandel betreibt es seit Mitte der 1970er Jahre den Objekthandel mit wieder verwendbaren Textilien alle Art für Krankenhäuser. Das Sortiment besteht unter anderem aus Matratzen, Matratzenbezügen, Laken, Unterlagen, Einziehdecken, Kissen, Bettwäsche, Tischwäsche, Handtüchern, Bereichs- und Stationsbekleidung. Heinemann importiert Flachwäsche weitestgehend direkt aus Ägypten, China, Pakistan und Indien, die Bekleidung wird in Tunesien und Serbien nach eigenen Entwürfen produziert (Kollektion Schutz&Chic).

Mitarbeiter: in Neuss insgesamt rund 55; in zwei osteuropäischen, nicht zu Heinemann gehörenden Unternehmen, werden mehr als 80 Mitarbeiter durch Heinemann-Aufträge beschäftigt.
Absatzmärkte: Rund 97 Prozent des Umsatzes werden in Deutschland erzielt. Weitere Kunden gibt es in Frankreich, Österreich, Schweiz, Luxemburg, Spanien.
Gebr. Heinemann: Wir bieten permanente Versorgungssicherheit
Foto/Grafik: Gebr. Heinemann
Präsentation von Gebr. Heinemann auf einer Ausstellung.
Gebr. Heinemann: Wir bieten permanente Versorgungssicherheit
Foto/Grafik: Gebr. Heinemann
Bernd Scherrer startete seine Karriere nach dem Abitur mit einer dualen Ausbildung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann und Betriebswirt bei Hospita Saeger. Als Leiter der Angebotsabteilung ging er, nachdem er auch den Außendienst kennen gelernt hatte, im August 2001 zu Heinemann. In Neuss fungiert er als rechte Hand der Geschäftsführer Lambert und Georg Goder und leitet den Einkauf, Verkauf wie auch den Innendienst.
Gebr. Heinemann: Wir bieten permanente Versorgungssicherheit
Foto/Grafik: Gebr. Heinemann
Gebrüder Heinemann wurde 1819 gegründet. ­Neben dem Großhandel für den Mode- und Textileinzelhandel betreibt die Firma seit Mitte der 1970er Jahre den Objekthandel mit wieder verwendbaren Textilien alle Art für Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Textilleasingunternehmen.
Gebr. Heinemann: Wir bieten permanente Versorgungssicherheit
Foto/Grafik: Gebr. Heinemann
Herzstück des Heinemann-Services ist die Lagerhaltung. Bis vor 10 Jahren gab es ein Lager, mittlerweile sind es drei. Schnelldreher und Standards des täglichen Bedarfs lagern im Hauptgebäude.
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