07.10.2019
HB – Protective Wear: „Be safe. We care.“
WRP: Warum hat sich HB Protective Wear auf Schutzbekleidung spezialisiert?
Klaus Berthold: Mein Vater, der die Firma 1952 gründete, hatte von Anfang an ein großes technisches Interesse. Entsprechend waren seine ersten Projekte als Unternehmer die Entwicklung einer Schweißerschutzbekleidung für Thyssen und ein neuer Feuerwehreinsatz-Schutzanzug für die Feuerwehr von Rheinland-Pfalz. Schutzbekleidung ist seit Gründung der Firma vor 67 Jahren unsere Kernkompetenz. Wir haben uns nicht irgendwann darauf spezialisiert, sondern sind als Firma mit Schutzbekleidung als unserer Spezialität groß geworden. Auch heute bieten wir fast ausschließlich Schutzbekleidung an, davon rund 85 Prozent für den Personenschutz und etwa 15 Prozent für den Produktschutz.
Diese Kontinuität und spezifische Ausrichtung auf textile PSA zieht sich durch alle Unternehmensteile von der Produktentwicklung bis zur letzten Qualitätskontrolle vor der Auslieferung. Unsere Systeme sind auf Qualität und Sicherheit ausgerichtet und auch unsere Mitarbeiter nehmen diesen Unternehmenszweck sehr ernst. „Wir haben PSA in unserer DNA“, lautet die Botschaft an Kunden und PSA-Träger, die wir in unserem neuen Katalog verkünden. Das ist nicht einfach nur ein Spruch, sondern über viele Jahre gewachsen und real erlebbar. Es gibt kaum eine andere Firma, auf die das so zutrifft wie auf uns.
WRP: Wenn die Produktion von Schutztextilien zum Ursprung von HB Protective Wear gehört, wird sich vermutlich auch die Mission des Unternehmens daran orientieren. Welchen Nutzen bringen Sie Ihren Kunden und Anwendern?
Berthold: Wir sorgen dafür, dass sich unsere Kunden sicher fühlen, mit ihrer Schutzbekleidung gut versorgt sind und unbeschwert ihrer Arbeit nachgehen können. Das spiegelt sich in unserem Markenversprechen „Be safe. We care“ wider.
WRP: HB Protective Wear gehört zu den Marktführern in der textilen PSA. Marktführerschaft ist Teil des unternehmerischen Selbstverständnisses. Was bedeutet diese für Sie?
Berthold: Marktführerschaft hat viele Facetten. Wir sind dabei in einer besonderen Position, weil wir zu den ganz wenigen Unternehmen gehören, die zu 100 Prozent nichts anderes produzieren als eine breite Palette von Schutzbekleidung. Fast alle unserer Marktbegleiter fertigen neben PSA auch Workwear. Zuerst denkt man bei Marktführerschaft an die Größe des Marktanteils, aber das ist bei der PSA sehr schwer zu fassen, weil die offiziellen Statistiken PSA nicht klar abgrenzen. Valide Zahlen haben wir deshalb nicht. Aber es gibt viele andere Eigenschaften über den Marktanteil hinaus, die einen Marktführer charakterisieren.
WRP: Welche sind Ihnen dabei besonders wichtig?
Berthold: Ein wesentlicher Aspekt der Marktführerschaft ist für uns die Qualität der Produkte und des Services. Dabei geht es sowohl um die Verarbeitungsqualität als auch um die Realisierung der Schutznormen, um die Haltbarkeit, die Beratung und die Verfügbarkeit. Unser Qualitätsanspruch im Interesse der Sicherheit und Unversehrtheit der PSA-Träger geht aber über die Realisierung von Normen und Standards weit hinaus. Wir setzen auf allen Ebenen der Beschaffungs- und Produktionskette wie Materialauswahl, Produktentwicklung und Fertigung modernste mehrstufige Maßnahmen zur Qualitätssicherung ein, zu denen uns niemand anderes verpflichtet hat als wir selbst. Normen und Standards sind wichtig, aber wir sehen sie eher als Rahmen oder als Beschreibung von Mindestvoraussetzungen.
Sven Holst: Unser Bestreben ist es, den Kunden und Trägern die Schutzbekleidung zu liefern, die sie am Arbeitsplatz aufgrund der Gefährdungslage benötigen. Das heißt zum Beispiel für die Beratung, dass wir die Art oder Ausstattung des Teils basierend auf der gewünschten Norm noch weiter differenzieren. Beispielsweise ist es ein Unterschied, ob Störlichtbogenschutz für einen Arbeitsplatz überwiegend draußen oder überwiegend in einem geschlossenen Gebäude gefragt ist. Auch wenn es um multifunktionale Bekleidung geht, bemühen wir uns, die für den konkreten Arbeitsplatz wirklich zentralen Funktionen herauszustellen. Es ist nicht selten, dass Multi-Risk Schutzbekleidung aufgrund mangelnder Detailkenntnis oder aus anderen Gründen funktional überfrachtet wird. Generell gilt, dass auf der Basis einer klaren Gefährdungsbeurteilung der betrieblichen Sicherheitsfachkräfte unser Produktspektrum eine Beratung erfordert, welche genaue PSA-Ausstattung für das Unternehmen und den Arbeitsplatz empfehlenswert ist.
WRP: Machen Sie Gefährdungsbeurteilungen vor Ort?
Holst: Nein, das machen die Sicherheitsfachkräfte der Unternehmen. Da dürfen und wollen wir nicht hinein. Für uns ist die fertige Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsplätze der Ausgangspunkt für Beratung zum Beispiel hinsichtlich der Lebensdauer verschiedener Bekleidungslösungen, oder bei der Frage, welcher Grad des Schutzes auf der Basis konkreter Erfahrungen sinnvoll ist. Innerhalb der Normen gibt es mehr oder weniger tiefe Differenzierungen.
Berthold: HB Protective Wear hat sicher das breiteste Sortiment der Anbieter von textiler PSA in Deutschland, vermutlich auch in Europa. Seit der Aufnahme der Tempex®–Produkte vor einiger Zeit haben wir auch noch sehr gute Sortimente für den extremen Kälteschutz und auch für den metallisierten Hitzeschutz, sodass wir alle wichtigen Marktbereiche der PSA gut und tief gestaffelt abdecken.
Holst: Als weiteres Merkmal eines Marktführers sehen wir die Innovationskraft. HB Protective Wear hat hier den Anspruch, die Branche mit innovativen Lösungen zum Nutzen der Kunden und Träger voranzubringen. Dies nicht nur in Hinsicht auf die Ausstattung der textilen Produkte, sondern auch auf den Service. Wir haben das „21 To Wear“-System geschaffen als einen Eilservice für nicht verfügbare Artikel und das Baukastensystem „Ready To Wear“ mit dem Produkt-Konfigurator, der auch kleinen und kleinen mittelständischen Unternehmen ermöglicht, ihre individuelle Schutzbekleidung zusammenzustellen. Damit sind wir im PSA-Markt ziemlich weit vorn.
WRP: Wo produzieren Sie oder lassen produzieren?
Berthold: Wir arbeiten mit elf Produktionsstätten. Örtlicher Dreh- und Angelpunkt unseres Produktions- und Logistiknetzes ist Thalhausen. Hier fertigen wir Muster und Vorläufer, Maßanfertigungen und Eilaufträge. Darüber hinaus produzieren wir an Standorten in Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Mazedonien, Moldawien, Tschechien und Armenien. Das sind überwiegend Partner, mit denen wir seit vielen Jahren arbeiten, wobei wir aber finanziell mit den Unternehmen nicht verflochten sind. Weit überwiegend produzieren wir in Bändern, wo nur unsere Ware gefertigt wird. Das ist wichtig, um in den Produktionsbetrieben die Qualität zu erzielen, die wir benötigen. Zur Risikostreuung verteilen wir unsere Aufträge für ein Produkt beziehungsweise ein Sortiment aber immer auf zwei Unternehmen aus unterschiedlichen Ländern.
WRP: Warum sind Sie nicht stärker in Fernost?
Berthold: In China werden sechs unserer Kälteschutzprodukte produziert, auch die Vorprodukte dafür werden aus Fernost bezogen. Aber generell ist die Produktion schwerer Schutzbekleidung, die bei uns überwiegt, vor allem nach Osteuropa abgewandert. Das ist auch ein anderer Maschinenpark als für die Produktion leichter Schutzbekleidung, die mehr in Fernost zu finden ist.
WRP: Bei Ihren Produktionspartnern sollen Sie auch ein Wettbewerbsprogramm initiiert haben, welches einerseits Leistung stimuliert und anderseits die Verbindung zu HB und zur Umgebung des Produktionsunternehmens fördert?
Berthold: Ja, das wird gut angenommen. Zusätzlich zu unserer detaillierten Lieferantenbewertung loben wir drei Prämien für einen leistungsbezogenen Wettbewerb zwischen den Produktionsunternehmen aus. Die Gewinner müssen ihre Prämien in ein für ihre Gemeinden sinnvolles Projekt investieren wie zum Beispiel einen Kindergarten oder eine Schule. Wenn eine Firma das schafft, dann steigt das Ansehen in der Umgebung nicht nur des Unternehmens, sondern auch der Mitarbeiter. Unternehmen und Mitarbeiter haben dadurch auch ein gemeinsames Ziel, denn die Prämie geht nicht an den Eigentümer, sondern kommt der lokalen Gemeinschaft zugute. Wir schauen uns auch an, was damit gemacht wird beziehungsweise sind bei der Preisübergabe oft mit vor Ort. Ein weiterer Effekt ist, das damit auch die Verbindung der Produktionsmitarbeiter zu uns gefördert wird und unser aller Engagement für einen nachhaltigen Gemeinschaftszweck deutlich sichtbar wird.
WRP: Kommen wir bitte nochmal darauf zurück, was hier in Deutschland, in Thalhausen gemacht wird. Hier ist ja der Sitz des Unternehmens.
Holst: Hier in unserer Zentrale werden eigentlich alle Kernfunktionen außer der Produktion, die nur teilweise in Thalhausen angesiedelt ist, durchgeführt und überwacht. Das umfasst Strategie und Planung auf Unternehmens-, Produkt- und Geschäftsfeldebene, Produktentwicklung, Qualitätsmanagement, Textilmanagement, Beschaffung, Logistiksteuerung, die für PSA so wichtige Zertifizierung, CAD, Vertrieb und Marketing sowie die Administration. Das finden Sie alles hier vor Ort. Auch der ganze Warenfluss geht über Thalhausen beziehungsweise über unser nahe gelegenes Lager in Dernbach, weil wir damit die Qualität besser in der Hand behalten. Alle Fertigteile unterliegen einer manuellen Endkontrolle und werden mit Stempel und Codierung „Turtle Tested®“ in den Versand gegeben.
WRP: Was heißt Turtle Tested?
Berthold: Die grüne Wasserschildkröte, auf englisch „turtle“ ist unser Markenzeichen, deshalb „Turtle Tested®“.
WRP: Wie sind Sie auf die Wasserschildkröte als Markenzeichen gekommen?
Berthold: Für uns ist die Meeresschildkröte mit ihrem Panzer das perfekte Sinnbild von individuellem und ganz persönlichem Schutz, und so sehen wir auch unsere PSA. Sie soll den einzelnen Träger individuell angepasst schützen. Deshalb finden Sie die grafisch stilisierte Meeresschildkröte immer wieder als unser Markenzeichen. Auch die Meeresschildkröte ist erheblichen Risiken ausgesetzt und gehört trotz ihres Panzers zu den bedrohten Tierarten. Wir unterstützen deshalb auch regelmäßig Aktionen zum Erhalt der Wasserschildkröten.
Holst: „Turtle Tested®“ heißt, dass alle von uns produzierten Schutztextilien einen Stempel mit der stilisierten Wasserschildkröte und einer individuellen Prüfnummer bekommen. Dieser individuell nummerierte Stempel zusammen mit der Produktionsauftragsnummer auf den eingenähten Etiketten erlauben es uns, systematisch zurückzuverfolgen, wo Probleme aufgetaucht sein können, wenn wir mal eine Reklamation bekommen sollten oder selber in der Endkontrolle noch Fehler bemerken. Unabhängig davon können wir selbstverständlich jederzeit auf technische Datenblätter und Zertifizierungsergebnisse bezüglich der Normen und Richtlinien zurückgreifen. Auch Qualitätssicherungsvereinbarungen und Richtlinien unserer Lieferanten sind bestens dokumentiert. Als PSA-Lieferanten müssen wir in der Lage sein, überprüfbare Auskünfte und Informationen über unsere Produkte und ihre Herstellung zu geben. Wir haben eine Produktionskapazität von mehr als 1, 5 Millionen sicherheitsrelevanter Bekleidungsstücke pro Jahr. Da ist es für eine Qualitätsproduktion unerlässlich, systematisch und im Detail nachvollziehbar zu prüfen und zu dokumentieren.
Unsere Qualitätskontrolle für die Fertigware ist zweistufig: In den Produktionsbetrieben wird jedes Teil kontrolliert, dann gehen die Fertigteile nach Thalhausen oder Dernbach. Dort werden die Teile noch einmal stichprobenweise kontrolliert, bevor sie verendet werden.
WRP: Und Materialeingangskontrollen haben Sie vermutlich auch noch?
Holst: Die Materialeingangskontrollen sind ziemlich umfangreich. Weil wir uns darauf verlassen müssen, dass die Stoffe und Accessoires funktionieren, werden eingehende Materialien in Stichproben ausführlich getestet und teilweise auch Waschtests unterzogen. Wir haben dafür eine eigene Abteilung, das Textilmanagement. Die hat allerdings noch weitergehende Aufgaben wie zum Beispiel Forschungsprojekte begleiten, in denen neue Materialien untersucht werden und die Zertifizierungsabteilung im Hause zu unterstützen etc. Das Textilmanagement hilft uns sehr, innovative Lösungen zu entwickeln beziehungsweise die Qualität von der Materialseite sicherzustellen.
WRP: Wo liegen im breiten Gesamtsortiment von HB Protective Wear Schwerpunkte? Wo sind Sie besonders stark?
Holst: Marktprägend sind wir sicherlich beim Flammschutz beziehungsweise beim Schweißerschutz. Damit fing es bei HB an und das ist ein Kernbereich der PSA, den HB mit entwickelt hat. Auch beim Störlichtbogenschutz waren wir früh und haben eine sehr starke Stellung und ein sehr differenziertes Artikelprogramm. Wenn es um reinen Chemikalienschutz geht, also nicht als Teil einer multifunktionalen PSA, dann sind wir sicher auch sehr gut im Markt. Im extremen Kälteschutz sind wir über unsere Tempex®-Sortimente marktführend. Wir sind aber auch in den Schutzbekleidungs-Produktsegmenten, die wir nicht als marktführende Stärken aufgezählt haben, sehr gut vertreten.
WRP: Welche Trends in der Produktentwicklung sehen Sie?
Holst: Einerseits müssen wir bei der Produktentwicklung sehen, wie sich die Arbeitsbedingungen und Risiken der Arbeitsplätze verändern, andererseits beobachten wir, wie wichtig die Vorlieben der Träger auch bei Schutzbekleidung werden. Zu den wichtigsten Trends in der Schutzbekleidung zählt die Annäherung von PSA und normaler Workwear. In der Workwear war zuerst zu beobachten, wie Tragekomfort, ergonomische Überlegungen und modische Gestaltungselemente Einzug hielten. Das ist seit einiger Zeit auch in der PSA der Fall. Hier gilt für uns zwar der absolute Vorrang der notwendigen Schutzfunktion, aber auch zum Beispiel beim Schweißerschutz gibt es bei den Einkäufern und Trägern die Frage nach unterschiedlichen Farben, zeitgemäßem Stil, Tragekomfort.
Die Träger stellen mittlerweile in vielen Segmenten der Schutzbekleidung ganz ähnliche Anforderungen wie an die normale Workwear. Workwear und Schutzbekleidung nähern sich optisch an. Man muss dabei auch berücksichtigen, dass eine attraktive Arbeitsbekleidung von den Unternehmen als Motivationsthema erkannt worden ist. Und die beste PSA nützt nichts, wenn sie nicht oder nicht richtig getragen wird, weil sie nicht akzeptiert wird. Wir müssen dabei zusätzlich beachten, dass Unternehmen meist schon eine attraktive Workwear haben und dann zusätzlich PSA benötigen – oft für dieselben Träger. Welcher Mitarbeiter würde schon gern von einer schicken Workwear in eine langweilige Schutzbekleidung wechseln beziehungsweise wer möchte als PSA-Träger nicht gern auch so stylisch aussehen wie der Kollege, der die CI-Workwear trägt?
WRP: Wie gehen Sie mit diesen Herausforderungen um?
Holst: Den stellen wir uns selbstverständlich. Das sind Trends, die auch bei unserer Produktentwicklung verfolgt werden, weil die Träger und Einkäufer eine attraktive und zeitgemäße Schutzbekleidung wollen. Aber dabei sind Hürden zu überwinden, bei denen wir auch die Unterstützung der Vorlieferanten, insbesondere der Gewebehersteller benötigen. Dabei bleibt die Realisierung der Schutzfunktion immer die grundlegende Voraussetzung. Es ist aber technisch schwieriger, weil die Realisierung der Schutznormen oft im Konflikt stehen kann mit dem Wunsch nach weniger Gewicht des Textils oder einem breiten Farbenspektrum etc. Da gibt es viele Herausforderungen, die PSA technisch anspruchsvoller macht als Workwear.
Berthold: Wir finden diese Entwicklung gut und begrüßen es, dass die PSA auch durch die Design-Anforderungen der Träger und der Unternehmen anspruchsvoller wird. Das gibt uns die Möglichkeit, Schutzbekleidung für die Kunden wertvoller zu machen und aus der Vergleichbarkeit herauszukommen, denn wir sind auf diesem Feld gut. Das ermöglicht uns zudem, uns aus dem sehr intensiven Preiswettbewerb bei den einfacheren Produkten zu lösen.
WRP: Eine andere Herausforderung, die deutlicher geworden ist, betrifft die Pflegeeigenschaften. Da gibt es derzeit ja eine ausgeprägte Kommunikation zwischen Lieferanten und Wäschereien.
Holst: Zur PSA gehört zwingend eine sachgerechte Pflege, damit die Schutzfunktion nach jedem Pflegezyklus gewährleistet ist. Wir stellen dafür detaillierte Herstellerinformationen bereit, aber es liegt in der Verantwortung derjenigen, die die Wäsche tatsächlich pflegen, wie genau sie damit umgehen.
WRP: Die Wäschereien beklagen sich ja seit einiger Zeit, dass sie mehr Informationen benötigen. Das zu verbessern ist ja auch der Sinn verschiedener Arbeitskreise bei den Verbänden ETSA, DTV und Gütegemeinschaft sachgemäße Wäschepflege.
Holst: Wir beteiligen uns aktiv in diesen Arbeitskreisen. Da tut sich in der letzten Zeit sehr viel. Der Dialog wird intensiviert, weil auch die Wäschereien sehen, dass die Pflege von PSA ein eigenes Feld ist. Wir haben selbst ein Waschlabor mit Waschmaschine und Trockner nach Industriestandard, um zu sehen, wie sich unsere Muster im Waschprozess verhalten und auch, um die eingesetzten Materialien stichprobenartig auf technische Eigenschaften wie Farbechtheit, Krumpfwerte etc. zu prüfen. Durch die Vielfalt der Stoffe und neue Materialien ist die Pflege auch anspruchsvoller geworden. Am liebsten hätten manche Wäschereien genau beschriebene Waschverfahren, aber das ist schwierig, weil die Ausstattung der Wäschereien sehr unterschiedlich ist. Es wird sehr schwer sein, ein genau definiertes Waschverfahren für einen bestimmten Typ von PSA verbindlich festzulegen. Ich muss da auch fragen, ob die Textilserviceunternehmen wirklich alle gleich waschen wollen. Ich denke, dass das kaum möglich sein wird, weil die maschinelle Ausstattung, das Wasser und die Waschmittel sehr unterschiedlich sind. Da müssen die Waschverfahren unterschiedlich sein, um gute Effekte zu erreichen.
Berthold: Wir können nur Rahmeninformationen für Waschverfahren geben und dabei ist es gut, dass die Beteiligten der textilen Kette bis hin zur Textilpflege miteinander reden und sich informieren. Bei diesen Rahmeninformationen ist es so, dass wir uns am schwächsten Glied im Materialmix orientieren müssen. Wenn wir mit Reflexstreifen arbeiten, dann sollten es 60 Grad sein, obwohl die Stoffe problemlos 70 Grad aushalten. Wir geben dann 60 Grad an, aber es gibt Pflegeunternehmen, die sagen, dass sie höher waschen müssen, zum Beispiel damit der Schmutz effizienter rausgeht. Wir können da wirklich nur empfehlen und diese Empfehlungen müssen für unterschiedliche Typen von Schutzbekleidung unterschiedlich sein. Die Wäschereien sollten bei so schwierigen Produkten wie der textilen Schutzbekleidung die Bereitschaft haben, Produkte unterschiedlich zu behandeln. Die meisten Textilserviceunternehmen wissen das auch und arbeiten in der Regel sehr sorgfältig und differenziert.
Ich sehe auch noch eine ganz andere Problematik: Wenn alle Textilserviceunternehmen nach denselben Verfahren waschen könnten, dann reduziert sich das Streben nach Innovationen und Wettbewerbsvorsprüngen auf andere Dinge als das Waschen. Das unternehmerische Talent von Wäschereibesitzern und Mitarbeitern könnte sich dann nicht mehr in der Waschtechnik zeigen.
Der Austausch in der Lieferkette bis zum Textilserviceunternehmen oder auch bis zum Handel ist wichtig, aber es wird sehr schwierig sein, für PSA detaillierte, einheitliche und allgemeingültige Waschempfehlungen zu erarbeiten.
WRP: Wie stark verkaufen Sie denn an den Handel und an die anderen Distributionskanäle?
Holst: Unser wichtigster Distributionskanal ist der Textilservice. Der macht etwa zwei Drittel des Umsatzes aus. Wir machen darüber hinaus Geschäfte mit dem Handel und ein gewisses Direktgeschäft. Das Direktgeschäft ergibt sich zum großen Teil aus der diversifizierten Beschaffungsstruktur von Projektgeschäften. Mit großen Unternehmen werden Schutzbekleidungsprojekte erarbeitet, oft zusammen mit Partnern aus dem Textilservice oder dem Handel und das Unternehmen entscheidet sich dann dafür, aus dem Gesamtprojekt bestimmte Artikel direkt zu beziehen. Wir wollen prinzipiell mit unseren Distributionspartnern aus dem Textilservice und auch aus dem Handel zusammenarbeiten. Aber aufgrund der Komplexität unserer Produkte müssen wir auch unabhängig von Handel und Textilservice am Markt sein und bearbeiten teilweise auch erstmal allein Projekte mit Großkunden und nehmen dann spätestens im zweiten Schritt unsere Partner mit ins Boot. Spezifizierungs- und Zertifizierungsfragen mit Blick auf die Sicherheitsnormen sind, erstmal unabhängig von der Pflege, ein umfassendes und vielschichtiges Thema.
WRP: Wie hat sich das denn entwickelt? Den Textilservice für PSA gibt es ja kaum so lange wie das Unternehmen HB Protective Wear.
Berthold: Anfänglich haben wir vor allem mit dem Handel gearbeitet. Der Textilservice hat zwar Workwear gemacht, aber sich erst recht langsam mit PSA angefangen auseinanderzusetzen. Heute sind die Textilservicepartner für uns sehr wichtig. Wir wollen keine Wäscher sein, sondern brauchen den Textilservice, um die Leistungsfähigkeit unserer Bekleidung lange zu erhalten.
Holst: Aber es gibt hier auf allen Seiten immer noch eine Lernkurve, deshalb sind die Arbeitskreise auch so wichtig. Sie zeigen, wie die Aufmerksamkeit für das Thema bei den Wäschern steigt und durchaus auch, was auf Seite der Lieferanten an Hilfestellung sinnvoll ist. Beispielsweise halten wir Multifunktionsangebote oft für nur scheinbar günstig. Wenn Sie eine Multi-Risk-Bekleidung mit Schweißerschutz Klasse 1 im Paket anbieten und damit dann wirklich häufig geschweißt wird, dann ist das Risiko sehr sehr groß, dass die kalkulierten Umläufe dieser Multifunktionsbekleidung weit verfehlt werden. Das merken die Leaser daran, dass sie solche Teile viel früher nicht mehr refunktionalisieren können, als es geplant und kalkuliert wurde. Dann beginnt die Diskussion warum und wieso, es steigt die Aufmerksamkeit für die Komplexität der PSA und wir hätten von vornherein gesagt, Schweißerschutzbekleidung Klasse 1 ist in der Tat nur ein Schutz für leichte und gelegentliche Schweißarbeiten. So gibt es viele Beispiele dafür, dass die Kommunikation weiter verbessert werden muss, damit der Textilservice die großen Chancen, die im PSA-Geschäft liegen, viel besser nutzen kann.
WRP: Und wie ist die Entwicklung der drei Kanäle?
Holst: Wir wachsen vor allem über die Absatzwege Leaser und Handel. Wir beobachten mehrere Gründe für das Wachstum: Es steigt die Sensibilität für die Berufsbekleidung generell, aber auch für die PSA. Das resultiert häufiger in einer Aufwertung, wenn zum Beispiel aus der Erfahrung der Träger klar wird, dass bei einer Multinormbekleidung mit Schweißerschutz Klasse 1, die Haltbarkeit unzureichend ist. Das heißt, es geht um Aufwertung der PSA. Es gibt aber auch viele Unternehmen, die Workwear ausgeben, ihre Beschäftigten aber eigentlich mit PSA ausstatten müssten. Hier sehen wir auch zukünftig noch ein bedeutendes Potenzial.
WRP: Wie sieht denn die Verteilung des Umsatzes nach Ländern aus?
Klaus Berthold: Deutschland macht etwa 70 Prozent unseres Umsatzes und das Ausland etwa 30 Prozent. Dabei geht der Export hauptsächlich nach Europa, aber wir haben auch Kunden weltweit. Insbesondere unser Tempex®-Geschäft geht über Europa hinaus. Wir sehen uns als europäisches Unternehmen mit deutschem Standort und deutschen Wurzeln. Aber unser Geschäft hat ganz klar eine internationale Perspektive, vor allem bezogen auf Europa. Das war auch ein wesentlicher Punkt für unsere Umfirmierung auf HB Protective Wear.
WRP: Zieht sich das europäische Exportgeschäft über alle Produktgruppen?
Holst: Wir exportieren über alle Produktgruppen hinweg, aber es gibt schon Schwerpunkte dort, wo die Funktion völlig dominiert. Das ist der genannte Kälteschutz, aber auch unsere ESD-Bekleidung. Die ist einfach qualitativ so gut und die Schäden, die zum Beispiel im Reinraum angerichtet werden können, sind so hoch, dass diese Artikel im Export stärker vertreten sind als andere.
WRP: Lassen Sie uns über Ihre Mitarbeiter sprechen. Wieviel Personen arbeiten bei HB Protective Wear?
Berthold: Aktuell arbeiten wir mit knapp 190 Personen, davon sind etwa 30 im Vertrieb tätig. Die Produktion ist wie gesagt zum größten Teil bei unabhängigen, aber langjährigen Partnern angesiedelt.
WRP: Für Ihre anspruchsvollen Arbeitsvorgänge sind erfahrene und motivierte Mitarbeiter von größter Wichtigkeit. Was tun Sie dafür?
Berthold: Wir arbeiten permanet an der Attraktivität von HB Protective Wear als Arbeitgeber und sind da auch recht erfolgreich. Das mache ich unter anderem daran fest, dass wir es geschafft haben, unsere Ausbildungsplätze in den bei uns angebotenen Lehrberufen Industriekaufmann beziehungsweise -frau, Logistikfachkraft, IT-Kaufmann/-frau und Modenäher beziehungsweise -näherin alle zu besetzen. Und die Auszubildenden können wir in der Regel auch alle übernehmen.
WRP: Wasser und Äpfel werden bei Ihnen im Betrieb gratis angeboten, Eis gibt es zum günstigen Preis, Sie unterhalten eine Kindertagesstätte und ein komplett ausgestattetes Fitnesscenter. Das sind hervorragende Angebote, die das Arbeiten leichter machen.
Berthold: Ja, es fördert das Betriebsklima, ist gesund und auch hilfreich. Ich freue mich beim Fitnesscenter vor allem darüber, dass es auch von Mitarbeitern genutzt wird, die das vorher noch nicht gemacht haben. Wir haben die Öffnungszeiten des Fitnesscenters sogar auf samstags erweitert.
WRP: Abschließend noch die Frage, wie Sie die weitere Entwicklung des PSA-Marktes sehen.
Holst: Wir hatten jetzt einige sehr gute Jahre, die gezeigt haben, wie entwicklungsfähig die Branche bezogen auf Schutzbekleidung ist. Sicherheit am Arbeitsplatz halten wir auch langfristig für einen klaren Wachstumsmarkt. Viele Unternehmen, die eigentlich dazu verpflichtet sind, Gefährdungsanalysen zu machen, sind noch auf dem Weg dahin. Da sehe ich noch große Potenziale. Aktuell wird es zwar ruhiger, wir beobachten durchaus, dass Entscheidungen verschoben werden, aber von Krise können wir derzeit nicht sprechen. Mittel- und langfristig sehen wir gute Entwicklungsmöglichkeiten, weil die Unternehmen sensibler und erfahrener werden im Umgang mit Schutzbekleidung.
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