16.07.2024
Suche nach Lehrlingen bleibt schwierig
Für die meisten Wäschereien laufen die Geschäfte aktuell gut. Der Markt hat sich weitgehend von den Corona-Wirren und dem damit verbundenen Einbruch der Nachfrage erholt. Auch die Energiepreise sind etwas gesunken. Ein akutes Problem treibt jedoch viele Betriebe um: der Fachkräftemangel. Nachdem wir in unserer Februar-Ausgabe das Problem bereits angesprochen haben, schauen wir jetzt, wie sich die Lage kurz vor Beginn des neuen Schuljahres entwickelt.
Ursula Dreyer von der Anna-Siemsen-Schule in Hannover kümmert sich als Abteilungsleiterin um Ausbildungen in Textiltechnik und Bekleidung an ihrer Einrichtung. Dort haben drei angehende Textilreiniger im Juni ihre Lehre erfolgreich abgeschlossen. Damit verbleiben im neuen Schuljahr 2 Lehrlinge im 3. und 7 weitere im 2. Lehrjahr.
Für das 1. Ausbildungsjahr gibt es zwar bereits einige mündliche Zusagen von interessierten, neuen Auszubildenden. Aber bisher sind nur Bewerbungen von einer Person eingetroffen. „Das ist sehr unbefriedigend“, findet Dreyer.
Neumünster bildet weiterhin aus
Eine weitere Berufsschule mit der Ausbildung im Angebot ist die Theodor-Litt-Schule in Neumünster. Dort haben fünf Textilreiniger vor den Sommerferien ihre Ausbildung erfolgreich beendet. Ellen Kemper, die Textilreiniger an der Schule betreut, blickt optimistisch in die Zukunft: „Es geht wieder bergauf. Wir haben wieder steigende Anmeldezahlen zu verzeichnen.“
Einen möglichen Grund dafür sieht die Lehrerin in einem gemeinsamen Treffen mit den Ausbildern. Zudem soll der neue
Bildungsgang „Ausbildungsvorbereitung Textilmanagement“ dabei helfen, Jugendliche auf die Ausbildung zum Textilreiniger aufmerksam zu machen. Dafür werden die Teilnehmer ein Jahr lang in Wissen zu Textilien und Wirtschaftsfragen geschult. Außerdem vermitteln Praktika direkte Einblicke in die Branche.
„Die Zukunft der Textilreinigerausbildung ist weiterhin bei uns gegeben. Vorausgesetzt, Betriebe schicken uns weiterhin fleißig ihren Nachwuchs. Unser textiles Herz freut sich, dass das Land Schleswig-Holstein zu uns hält.“ Vor den Sommerferien waren acht Auszubildende zum Textilreiniger an der Schule aktiv. Kemper rechnet mit steigenden Anmeldungen bis November. Dann startet die neue Unterstufe.
Ausbildung in Köln wird eingestellt
Weniger erfreulich ist die Lage am Berufskolleg Humboldstraße in Köln. Die Schule nimmt keine neuen Textilreiniger-Azubis an. „Wir werden dieses und nächstes Schuljahr unsere Auszubildenden noch zur Prüfung führen, nehmen aber keine neuen Auszubildenden mehr auf. Im Juni 2025 werden uns die letzten Auszubildenden verlassen“, so fasst Claudia Goepfert die Situation zusammen. Sie leitet die Abteilung Textiltechnik und Bekleidung des Kollegs.
Als Grund nennt sie mangelnden Bewerbungen. Erst für 2025 hätten sich zwei Interessenten beworben - zu wenige, um die Lehre an ihrer Schule zu erhalten. Lehrlinge zum Textilreiniger, die bisher nach Köln fahren konnten, müssen künftig nach Frankfurt am Main ausweichen.
Berliner Betriebe würden gern mehr ausbilden
Eine weitere Ausbildungsstätte für Textilreiniger gibt es in Berlin. Dort bietet die Modeschule Berlin den schulischen Teil der Lehre an. Katja Näther aus der 2. Abteilung der Einrichtung: „Aktuell haben wir vier angehende Textilreiniger. Davon befinden sich 2 im 3. Lehrjahr. Im 2. Lehrjahr haben wir derzeit keine neuen Auszubildenden.“ Im Juni schlossen drei ihrer Lehrlinge die Ausbildung erfolgreich ab.
Mehr Auszubildende seien gewünscht. „Die Betriebe, mit denen wir in Kontakt stehen, suchen dringend nach Auszubildenden, finden aber keine oder zu wenige.“ Welche Gründe sieht die Fachfrau für das geringe Interesse? „Die Attraktivität der Ausbildung wird nicht erkannt. Große Betriebe liegen am Stadtrand. Der weite Weg dorthin schreckt potenzielle Bewerber ab.“
Näther weiter: „Wir hoffen, dass die Betriebe geeignete Auszubildende in ausreichender Zahl finden und halten können. Wir stehen bereit, die Berufsschule inhaltlich und organisatorisch an die Bedürfnisse anzupassen.“
Sieben Lehrlinge in Greifswald
An der Beruflichen Schule der Universitäts- und Hansestadt Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern wird die Ausbildung ebenfalls angeboten. „Wir haben zur Zeit sieben Azubis, wovon zwei ihre Gesellenprüfung abgelegt haben“, sagt Simone Gerbot, die sich als Fachkonferenzleiterin um die Reinigerberufe kümmert. Vier der übrigen Lehrlinge befinden sich im 1. Lehrjahr. Dazu gehören auch drei angehende Fachkräfte aus Indonesien.
Wie viele neue Textilreiniger-Lehrlinge nach dem Sommer an der Schule anfangen, steht noch nicht fest. „Ich kann nicht sagen, ob wir Azubis im 1. Lehrjahr zu erwarten haben, da sich die Jugendlichen in diesem Ausbildungsbereich immer erst sehr spät entscheiden.“
In Greifswald werden die Lehrlinge für den Unterricht nicht in drei Jahrgangsklassen unterteilt. Allgemeine Fächer - darunter Deutsch, Englisch, Philosophie sowie Wirtschafts- und Sozialkunde - unterrichten die Lehrkräfte übergreifend für alle Textilreiniger-Azubis. Für den Fachunterricht werden zwei Lerngruppen genutzt: eine für das letzte und die andere für die ersten beiden Lehrjahre.
Keine neue Klasse in Erfurt
Zu den Einrichtungen, die früher eine Klasse für Textilreiniger unterhielt, gehört auch die Andreas-Gordon-Schule in Erfurt. Versuche, die Ausbildung dort wieder einzuführen, blieben auch in diesem Jahr ohne Erfolg. „Unser zuständiges Ministerium hat die Klassenbildung am Standort abgelehnt“, so Schulleiter Karsten Pohlemann. „Wir hatten im vergangenen Jahr sechs Anmeldungen aus Thüringen, sechs Anmeldungen aus Sachsen und sechs Anmeldungen aus Bayern.“
Statt nach Erfurt fahren die Lehrlinge nun nach Frankfurt am Main. „Natürlich muss sich eine solche Ausbildung erst etablieren, bevor mit steigenden Ausbildungszahlen zu rechnen ist. Für eine kurz- oder mittelfristige Veränderung sehe ich aktuell keine positiven Anzeichen. Eine mögliche Veränderung könnte durch die Initiative der Handwerkskammer Erfurt zur Ausbildung von Fachkräften u. a. aus Vietnam entstehen.“
Pohlemann ergänzt: „Nach wie vor ist die Andreas-Gordon-Schule bereit, diese Ausbildung wieder aufzunehmen. Ich denke, es ist ein wichtiger Beruf, dessen Stellenwert nochmals steigen wird.“
„Ausbildungsinteresse bei vielen Betrieben ist groß“
Als Branchenvereinigung beschäftigt sich auch der Deutsche Textilreinigungs-Verband DTV mit dem Thema. Dort wurden letztes Jahr 137 Auszubildende zum Textilreiniger registriert. 83 davon arbeiteten im Handwerk und 54 in der Industrie. Zum Vergleich: 2014 waren es insgesamt 271, beim Höchststand der letzten zwei Dekaden in 2005 sogar 876. Die Datengrundlage kommt vom Zentralverbandes des Deutschen Handwerks und der Deutschen Industrie- und Handelskammer.
„Grundsätzlich ist das Ausbildungsinteresse groß bei den Betrieben“, heißt es vom DTV. „In vielen Fällen ist es jedoch nicht exklusiv beschränkt auf den Textilreiniger, sondern umfasst auch andere Berufe wie Bürokauffrau, Mechatroniker uvm. Hauptprobleme bei der Rekrutierung sind das grundsätzlich sinkende Interesse an beruflichen Ausbildungen (Akademisierung) sowie die demografische Entwicklung. Branchenspezifische Probleme sind zudem die fehlende ortsnahe Beschulung und die geringe Bekanntheit des Berufes.“
Keine schnelle Lösung in Sicht
Weiter schreibt der DTV: „Kurzfristig wird sich diese Situation nicht ändern. Es wird darum gehen, bereits in der Branche Beschäftigte zu qualifizieren. Der Verband ist kürzlich eine der Pilotbranchen für die Entwicklung von Teilqualifizierungen im Handwerk (TQHW) geworden.“ Die sollen Mitarbeitern zugute kommen, die keine Gesellen sind, und neben Hilfe in der täglichen Arbeit auch die Möglichkeit bieten, selbst den Gesellen- oder Meisterbrief zu erwerben.
Die TQHW sind erstmal bis September 2026 geplant. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt.
Weitere Infos gibt es online: https://tqhw.de/#start. Zudem bietet der DTV unter dem Begriff E-Washboard leicht verständliche, kurze Video-Lektionen, die Fachwissen zur professionellen Textilpflege vermitteln.
Die Lektionen liegen in mehreren Sprachen vor und sind unter https://www.e-washboard.eu erreichbar.
Trotz der Problematik sieht der DTV die Zukunft des Berufes Textilreiniger positiv. „Unsere Branche ist durch ihr zirkuläres Geschäftsmodell - der Wiederaufbereitung und Reparatur von Textilien - im Fokus der EU-Politik und wurde als ein zentraler Lösungsbaustein zur Erreichung der Klima- und Nachhaltigkeitsziele der EU identifiziert.“ Auch die EU-Textilstrategie komme der Branche entgegen, weil sie die stärkere Nutzung von Kreislaufwirtschaftsmodellen vorsehe.
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